Montag, 6. April 2020

Italien: Hat die Corona-Krise das italienische Gesundheitssystem überfordert?

Die Szenen, die wir aus Italien sehen, versetzen uns in Stress - der Zeitdruck, der dort zu herrschen scheint, um zusätzliche Container aufzubauen, weil es jetzt wegen der Corona-Krise so viel mehr Patienten im Krankenhaus zu versorgen gibt als davor, lässt auch die Adrenalinkonzentration im Blut des Zuschauers steil ansteigen.

Natürlich muss auch hier ein Zusammenhang hergestellt werden, um das, was wir sehen, irgendwie einordnen zu können. Wie war denn das italienische Gesundheitssystem vor der Krise aufgestellt, zum Beispiel im Vergleich zu dem deutschen?

Ein Blick auf die Statistik verrät uns: Italien hat pro 1000 EW kaum mehr als ein Drittel an Krankenhausbetten als Deutschland!

Beide Länder haben ihr Gesundheitssystem in den letzten drei Jahrzehnten massiv abgebaut - Deutschland allerdings auf einem sehr viel höheren Niveau als Italien!

Da es in Italien offenbar auch sehr viel weniger Fachärzte gibt als in Deutschland, gehen viele Italiener auch bei kleineren Beschwerden schon ins Krankenhaus, um Diagnosen nicht zu verschleppen, denn man wartet dort lange auf einen Facharzttermin.

Dazu kommt, dass die italienische Bevölkerung im Durchschnitt noch etwas älter ist als die deutsche.

Und noch ein anderes Problem gibt es in Italien, und zwar eine ungeheure Luftverschmutzung, vor allen Dingen im Norden des Landes.

Die europäische Kommission bezeichnete Italien im Jahr 2012 als den Mitgliedsstaat mit der höchsten Sterberate aufgrund der Feinstaubbelastung. Sie  bezifferte die Anzahl der vorzeitigen Todesfälle auf 66 000 pro Jahr, mittlerweile ist von 84 000 Todesfällen  aufgrund von Luftverschmutzung die Rede (Stand 2015), das wären 7000 im Monat bzw 233 pro Tag!

Grund für den Smog sind vor allen Dinge im Norden Italiens die Industrie, veraltete Heizsysteme, wenig öffentlicher Nah-, und aus diesem Grund naheliegender Weise viel Autoverkehr.

In Norditalien sorgt zusätzlich die Wetterlage dafür, dass die Luft wie in einem Kessel gefangen bleibt. Kein Wunder, dass man Italien als das China Europas bezeichnet!

Offenbar gibt es jedes Jahr Smogalarm sowohl im Norden Italiens als auch in den großen Städten wie Rom und Neapel, vor allen Dingen im Winter. So gab es auch dieses Jahr einen Smogalarm Mitte Januar.

Dass jemand, der jahrzehntelang unter solchen Bedingungen leben muss, Atemwegsprobleme entwickelt, scheint logisch.
Trotzdem wurde das Gesundheitssystem in den letzten beiden Jahrzehnten in einem noch viel schlimmeren Ausmaß kaputt gespart als in Deutschland! Das rächt sich nun, und so versteht man auch, warum in solcher Eile zusätzliche Container zur Patientenversorgung aufgestellt werden müssen. Denn obwohl sich die Mortalitätsrate zumindest bis zur 12. Kalenderwoche dieses Jahres nicht von der in den vorherigen Jahren unterscheidet, gibt es jetzt zusätzlich folgendes Problem: Da ja jetzt viele Patienten mit gesundheitlichen Problemen, vor allen Dingen Husten und Atembeschwerden, positiv auf Corona getestet wurden, müssen diese wegen der Ansteckungsgefahr auch noch in den Krankenhausbetten untergebracht werden, von denen es ohnehin schon viel zu wenig gibt - vor der Krise hätten sie ja unter Umständen auch zu Hause bei ihrer Familie bleiben können.

Langsam beginne ich zu verstehen, wie es zu diesen Bildern kommt. Was ich aber nicht verstehe, wo bleibt die Berichterstattung der Medien, die diese Probleme beleuchten sollte. Die Ausgangsbeschränkungen könnten dafür verantwortlich sein, dass wir über die Hintergründe der italienischen Tragödie in keinster Weise informiert werden.

Doch andererseits: Die Ausgangssperre trifft mich doch auch! Und ich bin nicht einmal Journalistin, sondern nur ganz normale Bürgerin, die ganz normale Fragen stellt und versucht, diesen so gut wie möglich auf den Grund zu gehen - da es nicht anders möglich ist, eben mit Hilfe des Internets. Dazu wären doch halbwegs vernünftige Journalisten schon längst in der Lage gewesen. Warum tun sie es nicht?





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