Samstag, 15. Januar 2011

Sanktionen gegen Hartz IV Empfänger - im Interesse der Allgemeinheit?

Die kürzlich bekanntgewordenen Sanktionen gegen eine im 4. Monat schwangere junge Frau haben im Bereich des Internets für Furore gesorgt- nachdem die Abeitsagentur in Braunschweig zunächst entschieden hatte, dass die Aufhebung der dreimonatigen Nulldiät für die Frau und ihr ungeborenes Kind nicht im Interesse der Allgemeinheit sei, entschied sie sich letztendlich doch wieder dafür.

Nachdem wir unser Grundgesetz, allen voran die Grundrechte (Menschenwürde, Unverletztlichkeit der Wohnung, Freizügigkeit, Verbot der Zwangsarbeit) sowohl in unserem gesellschaftlichen Leben, als auch in unseren Herzen beerdigt haben (ich ernte nur müdes Lächeln, wenn ich davon rede...), wollen wir prüfen, ob Sanktionen gegen Hartz IV Empfänger wirklich im "Interesse der Allgemeinheit" liegen - rein wirtschaftlich gesehen natürlich, denn solange der eigene Kontostand noch Anlass zur Zufriedenheit gibt, oder - sollte das nicht der Fall sein - es genügend Menschen gibt, denen es mindestens so dreckig geht wie einem selbst, ist für den deutschen - sich zum GG und zu demokratischen Prinzipien bekennenden - Bürger offenbar die Welt noch in Ordnung.

Das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems beruht auf dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Wer den Arbeitnehmern ihren Anteil am Wirtschaftswachstum vorenthält, sorgt für eine Strangulierung der Nachfrage. Dieses wiederum schädigt den Unternehmer, der Produkte oder Dienstleistung für den Binnenmarkt anbietet. Er macht weniger Gewinne, da er seine Produkte billiger anbieten muss, wenn er sie überhaupt noch verkaufen will. Ein Unternehmer muss in der Regel Kredite aufnehmen, die Zinsen steigen exponentiell und natürlich preist er die Kosten in die Produkte mit ein - geht ja auch nicht anders, sonst würde er pleite gehen. Die wachsenden Kosten für Zins und Tilgung werden so vom Verbraucher getragen. Sie können nicht reduziert werden - wo kämen wir denn da hin, wenn wir von Bankaktionären verlangen würden, 'den Gürtel enger zu schnallen' und auf zu erwartende Renditen zu verzichten! Also reduziert der Unternehmer die Kosten für Arbeit, indem er beispielsweise die Stammbelegschaft aus dem Unternehmen ekelt und sich statt dessen Leiharbeiter holt, oder - noch billiger - 'Praktikanten' einstellt, bzw. sich von der sogenannten 'Neuen Arbeit' Produkte vorfertigen lässt.

Die hier Beschäftigten bekommen so wenig Geld, dass sie außer dem täglichen Bedarf an Lebensmittel nichts mehr kaufen können - wo also soll der für den Binnenmarkt produzierende Unternehmer seine Waren vekaufen? Die Nachfrage sinkt, mit ihnen die Löhne, was ein weiteres Sinken der Nachfrage zur Folge hat, usw...

Je weniger Geld im Umlauf ist, umso weniger kann verkauft werden. Wenn also die Arbeitsagenturen Sanktionen gegen Hartz IV Empfänger verhängen, ist das alles andere als 'wirtschaftliches Handeln', wie es in letzter Zeit so schön heißt. Es ist kaum anzunehmen, dass ein Hartz IV Empfänger das Geld für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt auf die hohe Kante legt - er wird das Geld in jedem Fall in Umlauf bringen, indem er sich vermutlich Lebensmittel dafür kauft. So sorgt auch der Hartz IV Emfänger mit seinem Konsum für eine - wenn gleich aufgrund der beschränkten finanziellen Mittel, geringe - Nachfrage und stimuliert so die Binnenwirtschaft, mit allem was dazu gehört - einschließlich der daran hängenden Arbeitsplätze.

Wie es hoffentlich in den meisten Fällen der Fall sein wird, wird es dem Sanktionierten und damit eigentlich zum Verhungern verurteilten Hartz IV Empfänger irgendwie gelingen, doch noch finanzielle Mittel aufzutreiben, mit denen er sein Überleben erst einmal sichert - zum Beispiel indem er irgendjemandem aus seinem Bekanntenkreis anhaut, ihm etwas Geld zu leihen. Doch auch damit wird die Nachfrage -Lücke nicht geschlossen, weil ja auch derjenige, der das Geld an den Bedürftigen leiht, seinerseits an anderer Stelle Konsumverzicht üben muss - es ist nicht anzunehmen, dass ein von Hartz IV Betroffener Leute in seinem Bekanntenkreis hat, die ein paar Millionen auf der hohen Kante haben, die nun zusätzlich in Umlauf gebracht werden würden...

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Kürzungen bei Hartz IV Empfängern niemals im Interesse der Allgemeinheit liegen - selbst wenn es im Interesse der Allgemeinheit liegen sollte, den Abbau der Grundrechte in diesem Land zugunsten einer verbesserten wirtschaftlichen Lage billigend in Kauf zu nehmen.

Denn mit Ausnahme der für den Export produzierenden Unternehmen bzw. deren Aktionären profitiert in diesem Land NIEMAND auf Dauer von diesen Sanktionen - auch nicht in wirtschaftlicher Hinsicht!

Soviel zur zum "Interesse der Allgemeinheit"...



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