Montag, 20. September 2010

Ein freier Tag im Leben einer Verzweifelten...

Ich stehe auf, schalte den PC ein, was gibt es Neues? Nichts, so weit ich dass überblicken kann. Es sitzen immer noch die selben alten Machthaber (oder sollte ich sagen Volksvertreter???) in ihren Sesseln. Die Intelligentia des Landes ist entweder halb oder komplett arbeitslos, versucht sich mit schlecht bezahlten Hilfsarbeiterjobs, über Wasser zu halten und schreibt sich die Finger blutig in irgendwelchen Blogs, die sowieso kaum jemand liest, während sich eine korrupte Journaille, die es eigentlich besser wissen müsste, für die faschistische Wirtschaftsmafia prostituiert und im Verein mit Altbundeskanzler Schmidt die Werbetrommel für Herrn Sarrazin und sein neues Buch rührt:

"Schmidt: Die Sache mit der Intelligenz wollen wir doch mal genau untersuchen (holt das Originalinterview hervor): Sarrazin wünscht sich Einwanderung nicht durch Türken und Araber, er sagt, es würde ihm gefallen, »wenn es osteuropäische Juden wären mit einem um 15 Prozent höheren IQ als dem der deutschen Bevölkerung«. Was auch immer, ich halte die sachliche Aussage für richtig."

Quelle: Die Zeit

Wer hierzulande so richtig Karriere machen will, muss eben dumm, rassistisch und korrupt sein - so steigt man im Land der Dichter und Denker zu höchsten Ehren auf, da werden einem dann die Finanzen von Hauptstädten und Nationen anvertraut. Längst vergessen sind Vorwürfe aus vergangenen Tagen, wer einmal oben mitschwimmt kann noch den größten Schund verkaufen.

Verwundert über diese Entwicklung ist hier eigentlich nur der schlecht informierte, aber mindestens kritische Zeitgenosse, wohingegen der (sich bedauerlicherweise in der Mehrheit befindende) 'Rest' jedoch beipflichtet: Na endlich sagt's mal einer!

Für gut informierte 'VerschwörungstheoretikerInnen' wie mich, die sich entsetzt in ihren klapprigen Billig-Bürostühlen zurücklehnen, passt nichtsdestotrotz alles gut zusammen, ein Puzzle-Teilchen fügt sich genau in das nächste: Die Debatte um die 80 Milliarden Euro, die der Bund im nächsten Jahr einsparen muss, ist erstmal in den Hintergrund getreten, diejenigen, die wahrscheinlich im nächsten Jahr am meisten geschädigt werden werden, sind schon jetzt diffamiert, und alle anderen, die dem Verhungern und Erfrieren einen deutlichen Schritt näher kommen werden, werden wissen, warum das so ist: Weil Türken und Araber faul und dumm sind!

Das sogenannte Bildungsbürgertum darf sich wohlig in dem Gefühl wiegen, es grenze sich von den Nazis des 3. Reiches ab, weil es osteuropäischen Juden genetisch eine höhere Intelligenz zubilligt, als den Türken und Arabern. Rein und erhaben fühlt man sich nun , da man jüdisch-stämmigen Künstler aus meist wohlhabenden Familien nachträglich würdigt - auf arme Ausländer, die genetisch bedingt angeblich faul und dumm sind, darf man guten Gewissens herabsehen.

Natürlich wird nicht darüber nachgedacht oder gar diskutiert, wer dafür sorgt, dass Sarrazin, trotz aller kriminellen Machenschaften wohlhonoriert im Amt bleibt, welche Rolle die ZEIT - Bild-Zeitung für die 'Gebildeten', deren Herausgeber Nass und Joffe alljährlich an den Bilderberg-Konferenzen teilnehmen - in der Angelegenheit spielt. Schmidt, der, wie er selbst in seinem Buch "Menschen und Mächte" schreibt, wohlwollend an den heidnischen Ritualen am Bohemian Groveteilgenommen hat ( er selbst nennt das natürlich Versammlungen), und somit Teil der internationalen Macht-Elite ist, soll offenbar den verbliebenen, sich als links verstehenden Zeitgenossen die rassistische Sündenbock-Debatte schmackhaft machen.

Das ist natürlich Verschwörungstheorie à la persiana451- ich weiß, ich kann es nicht beweisen. Ich benutze eben meinen eigenen Menschenverstand und warte nicht darauf, dass irgendeine Zeitung oder irgendein Historiker mir vorgibt, wie ich die Geschehnisse einzuordnen habe. Es sei mir verziehen wenn ich unrecht habe, allerdings basieren meine Vermutungen auf den vielen Recherchen, die ich diesbezüglich angestelllt habe, und nicht auf irgendwelchen nebligen Fantasien. Während meine Musikinstrumente verstauben, treibe ich mich in meiner Freizeit im Internet und Bibliotheken herum. Ich besitze drei Bibliotheksausweise und selbst die reichen manchmal nicht aus, so dass ich mir manchmal doch Bücher kaufen muss.

So saß ich erst kürzlich mit dem Buch 'Global - Brutal' von Michel Chossudovsky in den Händen auf einem Sofa in einer Bibliothek. Was ich da las, war derart ungeheuerlich, dass ich kaum mehr als eine Seite auf einmal schaffte. Wut stieg in mir hoch, mein Magen verkrampfte sich. Die Seiten verschwammen mir vor den Augen, ich ich schaute mich irgendwie hilfesuchend um. Die Sitzplätze um mich herum waren leer - irgendwie hatte ich das Gefühl, ich sollte hier nicht allein sitzen. "Wo sind die alle, verdammt!" dachte ich wütend, ohne zu wissen, wen ich genau damit meinte. "Ich schaffe das einfach nicht alles." dachte ich.

Wieder ein Stapel Bücher den ich mit nach Hause nehme, von dem ich eigentlich nur ein Viertel schaffen kann - und das auch nur, wenn ich viel und im Affentempo lese. Und es gäbe noch so unendlich viel mehr zu wissen. 'Wir' sollten zusammen hier sitzen, und darüber reden, was wir gelesen haben, und uns überlegen, wie man die Informationen weiter verbreiten kann. Überall sollte das so sein. In Cafés, Bibliotheken, in Wohnungen, im Freien, einfach überall sollten sich die Menschen scharen und sich wirklich Gedanken machen und sich informieren. Doch ich war allein.

Ein paar Regale weiter machte sich eine bebrillte Blondine an Musik-Noten zu schaffen, wahrscheinlich suchte sie etwas für ihren teuren Musik-Unterricht oder ihr teures Musik-Studium, Dinge die nach wie vor einer kleinen, wohlhabenden Minderheit vorbehalten sind. Ich bildete mir ein förmlich sehen zu können, wie sie von einem Kokon aus Unwissenheit, Borniertheit und Eigendünkel umgeben war, wie von einer Seifenblase. Manchmal habe ich eben doch eine lebhafte Phantasie... Mit der Annahme, dass aus dieser Ecke wohl wenig zu erwarten sein dürfte, dürfte ich trotzdem richtig liegen...

Ich ergriff meine Bücher, verließ die Bibliothek. Zu Hause entfernte ich eine dicke Staubschicht von meinen Gitarren, schlug das Buch wieder auf und machte mich weiter daran, die Puzzelsteinchens eines ungeliebten Wissens zu sammeln und abzuspeichern, um es bei der nächsten Gelegenheit hoffentlich abrufbar zu haben...
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1 Kommentar:

uhu hat gesagt…

Liebe Persiana 451,

bitte nicht verzweifeln! Oder sollte ich uns allen, ganz im Sinne Adornos bzw. Grabbes, eine heilsame Verzweiflung wünschen?! Da draußen sind noch einige, viele?, die so denken und fühlen wie Du/Sie – besonders in Stuttgart... So mancheR ist geradezu obsessiv darin, seinen Mitmenschen zur erfolgreichen Emanzipation verhelfen zu wollen. Wir werden jeden Tag mehr...!

Charlie Chaplins motivierende (aber aus heutiger Perspektive leider auch ambivalente) Schlussrede aus The Great Dictator (Der große Diktator, vor fast genau 70 Jahren in den USA veröffentlicht) gibt's hier zu sehen und zu hören.

↑ OBEN BLEIBEN!! ☼ STAY ABOVE!!