Freitag, 23. Januar 2009

Ein Abend als Zuschauerin beim Zweiten Deutschen Fernsehen

Seit Monaten schon fasse ich persönlich den Fernseher nicht einmal mehr mit der Beißzange an. Immer öfter kommt mir eine Szene der Rockoper "Tommy" in den Sinn, bei der der Protagonist beim Einschalten des Fernsehgerätes Opfer einer gnadenlosen, sich aus dem Gerät über ihn ergießenden Flut von Müll wurde...

Doch was hilft es - in meinem Bekanntenkreis ist man sich zwar einig, dass das Fernsehprogramm miserabel ist - doch es besteht kein Konsens darüber, auf dessen Konsum zu verzichten, und so werde ich dann doch immer wieder Zeuge von gestellt wirkenden Szenen, in denen angebliche Hartz IV -Empfänger (hinter denen ich Laiendarsteller vermute) sich in immer hysterischer werdenden gegenseitigen Beschimpfungen unter häufiger Verwendung des Begriffes "Schmarotzer" ergehen. Bei dem Versuch dem Gekeife zu entkommen, kann man, wenn man Glück hat, auf einem Kanal mit ruhigeren Tönen landen, auch wenn der Schauplatz hier ein Bordell ist. Die Mädchen berichten von ihrem Arbeitsalltag und der angenehmen Atmosphäre an ihrem Arbeitsplatz- meine Vermutung: ebenfalls gestellt, ebenfalls Laiendarsteller, was will man damit bezwecken ?

Zurück zu den öffentlich-rechtlichen Sendern mit Bildungsauftrag, für die wir alle GEZ-Gebühren bezahlen. Ein Abend bei Johannes B. Kerner am 22.01.09.

Erstes Thema- die Grippewelle, aufklärende Worte hierzu vom Pharmakologen Dr. Glaeske. Therapieformen werden besprochen, inklusive des üblichen Seitenhiebes auf die Hömoapathie - "...oftmals hilft ja schon der Glaube daran...", - dazu kann man nur sagen, wenigstens wurde damit nicht dem Patienten geschadet, sondern der Pharmaindustrie, anstatt wie üblich umgekehrt.

Ernährungstips werden besprochen, auch hier nichts Neues: "...eine gute Ernährung, also frisches Obst und Gemüse sind immer sehr sinnvoll...", das wussten allerdings auch schon unsere Großmütter, und das ohne in der Pharmaindustrie beschäftigt gewesen zu sein. Trotzdem, in Zeiten des Fast-Food kann man sicherlich nicht oft genug darauf hinweisen, der Vollständigkeit halber hätte man vielleicht noch erwähnen sollen, dass diese Ernährung wohl schon in diesem Jahr aufgrund der zu erwartenden Wirtschaftskrise Mangelware sein wird, und falls dieser Kelch vielleicht doch an uns vorübergehen sollte, dann wird es wohl der Codex Alimentarius sein, der uns den Garaus macht.

Mittels eines Mathematik-Professors, der Tipps gibt, folgt als nächster Beitrag ein wenig Werbung für die Lotterie. Früher sagte man ja immer: "Hauptgewinner ist der Staat". Das ist wahrscheinlich heute auch noch so. Da das aber noch nicht reicht, um die "notleidenden" Banken zu retten, spielt das ZDF diese Woche einen Schein für die Stadt Berlin. Glückszahlen werden ermittelt, indem der Professor Zettelchen in die Luft schmeißt, und die Diskussionsteilnehmer haschen danach wie auf einem Kindergeburtstag. Wie schön, dass es noch Leute gibt, die sich so kindlich amüsieren können, während Europa vor dem Abgrund steht, der bald wohl auch Deutschland erreichen wird.

Nun ist Klaus Wowereit mit ein paar Worten zum Thema Krise an der Reihe:"Wir können's auch schaffen." Ach ja? Wer ist wir? Klaus Wowereit und die Politiker oder die von Arbeitslosigkeit und Hartz IV bedrohten BürgerInnen?
Nun folgt der dezente Hinweis auf denjenigen, dem es schlechter geht, der bei Diskussionen, in denen man sich möglicherweise mit Kritik auseinanderzusetzen hat, natürlich nie fehlen darf: "...in Island waren die Konten schon erstmal nur noch ein Viertel wert..." hier stockt dem Zuschauer wahrscheinlich der Atem, "...und das haben wir ja abgefedert, indem wir 480 Milliarden Euro bereitgestellt haben...". Moment mal, Herr Wowereit, was haben Sie? Der Wert dieses Geldes muss erst noch erarbeitet werden, und die derzeitige Bevölkerung wird das wahrscheinlich in ihrer Lebenszeit gar nicht mehr schaffen. Von den Zinsen und Zinseszinsen, die auf diesen Betrag auch noch zu leisten sind, und die in unserer jetzigen Geldordnung leider nie "bereitgestellt" werden und dafür sorgen, dass es kein Entrinnen aus der Schuldenfalle geben kann, gar nicht zu reden.
Aber vielleicht weiß Herr Wowereit das alles ja gar nicht. Was habe ich da neulich gehört, wenn es um die Wirtschaft geht, "the average politician doesn't know his ars from his elbow" - ja, da könnte was dran sein.

Der Abend schreitet voran, ohne dass Ulrike Folkerts,die einzige Diskussionsteilnehmerin, die zumindest für mich von Interesse gewesen wäre, zu Wort gekommen wäre. Das ZDF blendet ein, dass die nachfolgende Nachrichtensendung in 10 Minuten beginnen wird, und noch immer war die Tatort-Kommissarin mit ihrem Gesprächsbeitrag nicht an der Reihe. Herr Kerner muss unbedingt noch wissen, ob Klaus Wowereit sich das Dschungelcamp ansieht. Das Thema wird nun auch mit Frau Folkerts fortgeführt, die sichtlich genervt von diesem Geplänkel ist. Fünf Minuten vor Sendeschluss erfahren wir endlich etwas über die Arbeit der Schauspielerin, die derzeit in einem Theaterstück den Tod spielt. Klingt für mich interessant, außerdem gibt Frau Folkerts deutlich zu verstehen, dass sie gerne noch über ihren bald im Fernsehen erscheinenden Film "Willkommen zu Hause" sprechen würde, doch zunächst muss Kerner noch die Frage um Frau Folkerts neuer Frisur klären, wobei er plump auf ihre allseits bekannte Homosexualität anspielt: "Fühlen Sie sich jetzt weiblicher?" Drei Minuten sind es noch bis die Sendung zu Ende ist, und ich hoffe, doch noch erfahren zu dürfen, worum es denn nun in dem neuen Film geht. Zwei Minuten vor Abschluss der Sendung sind wir endlich so weit: In dem Film geht es um einen traumatisierten deutschen Soldaten, der nach Hause zurückkehrt. Wer bis jetzt durchgehalten hat, darf nun endlich durch Frau Folkerts klare Worte vernehmen: "Deutschland befindet sich im Krieg mit Afghanistan, und leistet dort nicht nur humanitäre Hilfe, wie es immer heißt."

Allerdings, darüber hätte man auch angesichts der steigenden
Rüstungsausgaben der letzten Jahre diskutieren können und sollen, aber schon ist die Sendung vorbei und der Moderator der nachfolgenden Nachrichtensendung begrüßt uns mit einem strahlenden Lächeln und der Frage: "Wie können wir Johannes B. Kerner noch toppen?"
"Kaum möglich." denke ich so bei mir, und bin froh, dass ich aufgrund der späten Stunde endlich von meinem "Fernsehvergnügen" erlöst bin.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Persiana,

tja, der Kerner?

Mir geht es mit Fernseh-Talkrunden wie dir, und da tat ich mir - während ich auf Obama wartete - doch an eine Kerner-Talkrunde anzusehen. Am Tag der Amtseinführung von Obama, dem 20.01.09. Die Sendung hieß "Arbeitsmarkt und Filmlandschaft", wo auch ein "fauler" Arbeitsloser einer "fleißigen" HartzIV-Empfängerin, die alleinerziehende Mutter war, gegenübergestellt wurde.

Der gute Christo Großmann hatte übrigens ein T-Shirt mit dem Text "Arbeit ist scheiße!" an.

Schau dir die Sache mal selbst an:

http://jbk.zdf.de/ZDFde/inhalt/3/0,1872,7506915,00.html

Christo Großmann übrigens ist kein typischer Langzeitarbeitsloser sondern im Parteivorstand der APPD = "Anarchistische Pogo Partei Deutschlands" (Homepage: http://www.appd.de) tätig.

Faul und nie gearbeitet sieht für mich anders aus....

Er hatte wohl seine eigenen Gründe sich vorführen zu lassen - bei Kerner, die mir schleierhaft sind....

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

PS: Vielleicht wollte er ja nur Geld scheffeln mit seinem Auftritt? Oder Werbung machen? Im Publikum übrigens saß ein Parteimitglied mit dem selben T-Shirt an "Arbeit ist scheiße!". Wohl doch nur Werbung für die APPD?

Anonym hat gesagt…

Seit 2002 habe ich keinen Fernseher mehr.
Diesen Artikel habe ich nur angelesen.

Den Blog von dir finde ich sehr gut, doch möge dich der Stromschlag treffen wenn du nochmals den Fernseher berührst. Kein Mitleid mit Fernsehzuschauer.

Der Eine ergänzt den Anderen, das sollte doch auch den "Aufgeklärten" langsam klar sein, Opfer-Täterprinzip.

Hattet Ihr Aufklärung und Ehrlichkeit erwartet, als ihr die Kiste angeschaltet habt?

Warum TV wenn es RSS-Feeds gibt?

Kerner und Co. haben dir einige Stunden an möglicherweise guten Gedanken gestohlen, hast du Dir stehlen lassen.

Trotz allem,
Ich wünsch Dir einen erholsamen Sonntag

Anonym hat gesagt…

Hallo,
bin heute auf deinen blog gestossen, habe gern hier gelesen, deckt sich mit meinen Gedanken.
Wie kann man ohne Fernseher leben, ganz einfach, von 2002 bis 2005 Griechenland, schönes Wetter 24 Stunden und kein Bedarf und keine Sender, die man verstand. Jetzt seit 2006 in Polen, nur noch im internet, fernsehr läuft im Hintergund(Ehefrau konsumiet)aber,ich versthe nix davon,also stört er mich nicht.Irre-keine deutschen zeitungen hier, kein fernseher, und, man vermisst nix! Im gegenteil, man hat sehr viel gelernt durch dasw Surfen. Weiter so, schaue wieder vorbei.
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